Beckenbodentherapie

Der Beckenboden führte lange Jahre ein Randdasein in der öffentlichen Wahrnehmung. Probleme wie Belastungsinkontinenz oder Schmerzen beim Sexualverkehr galten als tabu und wurden wenig thematisiert.

Nicht zuletzt durch die hohe Zahl Betroffener ist das Thema Beckenboden aber zuletzt stärker in den Fokus gerückt. Auch hat man erkannt, dass ein schwacher Beckenboden unsere Haltung und damit auch typische Haltungsbeschwerden wie Kreuzschmerzen maßgeblich mitbestimmt.

 

Dazu muss man sich die Anatomie des menschlichen Körpers vor Augen führen: der Beckenboden besteht aus mehreren Schichten übereinander liegender Muskeln und bildet den tragfähigen Abschluss des Beckens nach unten. Das gesamte Gewicht des Rumpfes und der inneren Organe ruht auf ihm.

Er erfüllt dabei mehrere Aufgaben. Zum einen ist er die Basis der aufrechten Haltung und sichert diese gemeinsam mit Bauch- und Rückenmuskulatur ab. Dadurch sichert er auch die Lage der Organe im Becken- und Bauchraum.

Besonders anspruchsvolle Arbeit leistet unser Beckenboden durch seine sowohl öffnende als auch schließende Funktion.

Von einem guten Beckenboden erwarten wir, dass er halten kann, wenn es nötig ist, sowie loslassen, wenn wir das brauchen. Er erfüllt also eine Doppelfunktion mit einerseits haltendem als auch hergebendem Charakter.

Um beiden Funktionen gleichermaßen gerecht werden zu können, muss sich der Beckenboden ständig an- und abspannen, sich aber auch immer wieder im Gleichgewicht einfinden können. Dies verlangt eine besonders gute Reaktionsbereitschaft der Muskulatur.

 

Dieses Gleichgewicht ist oft empfindlich gestört. Ursachen dafür können bereits im Kindesalter liegen. Eine oftmals unterschätzte Grundlage für einen gesunden Beckenboden ist die aufrechte Haltung und ein ergonomisches Bewegungsverhalten. Dieses kann durch viele Faktoren wie Schmerzschonhaltung oder Übergewicht beeinflusst werden, der wichtigste Faktor ist jedoch der vermehrt "sitzende" Lebensstil, der in zunehmend jüngeren Jahren beginnt und alle Bevölkerungsschichten betrifft.

 

Mangelnde Beckenbodenkraft kann sich außerdem durch Schwangerschaften und Geburten, durch Operationen, chronische Atemwegserkrankungen sowie durch allgemein starke Spannungserhöhungen ergeben wie sie bei Sportlern oder Stressgeplagten der Fall sind.

Am ehesten wahrzunehmen ist die Schwäche für den Einzelnen in Belastungssituationen des Beckenbodens wie Husten, Niesen, Lachen, springen, aber auch als Schmerz im unteren Rücken. Der Leidensdruck für die Betroffenen ist enorm, da mit diesen Beschwerden teilweise erhebliche Einschränkungen bei den Alltagsaktivitäten und in der Lebensqualität einhergehen.

Eine dauerhaft bestehende Beckenbodenschwäche kann unter anderem zu Gebärmutter – und/oder Blasensenkungen führen, welche in letzter Konsequenz operativ behoben werden müssen.

Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg und auch bei bereits bestehenden Inkontinenzen oder Schmerzbeschwerden kann mit Physiotherapie noch sehr viel erreicht und chirurgische Intervention möglicherweise verhindert werden.

 

Ziel in der Physiotherapie ist es daher, bereits frühzeitig Aufklärung über die Funktion des Beckenbodens, seinen Krafterhalt und Entlastung zu leisten, die Betroffenen für ihre Haltungs – und Bewegungsgewohnheiten im Alltag zu sensibilisieren und damit auch Präventionsarbeit zu leisten.

 

"Nicht das regelmäßige Ausführen von bestimmten Übungen, sondern vor allem die Haltung und das Verhalten im Alltag ist wichtig." (Angela Heller)

 

In der Therapie:

Je nach Beschwerdebild wird ein genauer Beckenbodenbefund erhoben. Nur dieser lässt eine zielgerichtete Behandlung zu. Für diese stehen uns viele therapeutische Konzepte zur Verfügung. Meist steht am Beginn eine Wahrnehmungssschulung, die Behandlung setzt sich aber dann ebenso aus Haltungsschulung und – stabilisation, Atemtechniken und funktionellem Bewegungstraining zusammen. Seltener sind unterstützende Maßnahmen wie Biofeedback und Elektrostimulation nötig.

 

So wird idealerweise eine physiologische Funktion des Beckenbodens wieder erlangt und erhalten – am besten ein Leben lang.

 

Übrigens: Auch Männer haben einen Beckenboden ;)

 

 

Zum Nachlesen:

Dysfunktionen und Dysbalancen des Beckenbodens sind:

  • Belastungsinkontinenz
  • Dranginkontinenz
  • Stuhlinkontinenz
  • Entleerungsstörungen
  • Vaginismus
  • Schmerzen im Genitalbereich
  • Schmerzen beim Sexualverkehr
  • Vernarbungen und Funktionseinschränkungen im Bereich des Beckenbodens

 

Auf Probleme des Beckenbodens können ferner folgende Symptomatiken hinweisen:

  • Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule
  • Schmerzen in den Beckengelenken
  • rezidivierende Blasenentzündungen
  • Haltungsschwäche
  • Kopfschmerzen